Mein Statement

„Kunst ist etwas künstliches. Sie ist nicht Realität, und Realität ist nicht Kunst.“

Dieses Zitat stammt von Hertha Müller, der Nobelpreisträgerin 2009 für Literatur. Ihr gelingt es mit zwei Sätzen eine wesentliche Aussage über Kunst zu machen. Als ich dieses Zitat las, hat es sich sofort in mein Gehirn eingegraben und festgesetzt. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil ich mich mit meiner Malerei im „Realismus“ dem Gegenständlichen bewege.

„Mach’ doch einfach ein Foto, das geht schneller.“
Meinte einmal ein Künstlerkollege scherzhaft zu mir. Stimmt, ein Foto entsteht im Bruchteil einer Sekunde und hält diesen einen kurzen Wimpernschlag der Zeit und Realität fest. Dieser eine Moment ist so nie wieder erlebbar, alles kann sich schlagartig ändern und hat sich bereits geändert. Indem ich einen so eingefangenen „Augenblick der Wirklichkeit“ versuche realistisch zu malen, dehne ich ihn in eine fast unendlich langgezogene Art einer Zeitlupe aus. Das geschieht schon bereits durch die Art der Malerei, die sehr zeitaufwendig ist. Die Betrachtungsweise verändert sich. Der Blick, der zuvor nur kurz und punktuell auf das Objekt gerichtet war und alles andere Umgebende nur oberflächlich streifte, geht nun tief ins Detail. Wandert wie ein Brennpunkt umher, erkennt, vergleicht, bewertet, zensiert und interpretiert diese Realität. Gedankenströme werden freigesetzt, Assoziationen hervorgerufen, unbewusste, verschüttete Erinnerungen an die Oberfläche getrieben.

Mit dem Akt der Malerei forme ich eine künstliche, so nie da gewesene Realität.
Indem ich hier ein Detail weglasse, dort ein anderes betone, da wiederum etwas einfüge, forme ich so eine neue, nicht real existierende Wirklichkeit. Ich fülle die Situation mit neuen Inhalten auf und gebe Freiraum für unterschiedliche Interpretationen. Eine nur scheinbare, künstliche Realität.

Es ist eine Scheinwelt. Diese Scheinwelt auf der Leinwand spiegelt die Scheinwelt wieder, in der wir uns tagtäglich bewegen. Menschen haben eine Idee von sich, eine Vorstellung, wie sie und was sie sein möchten. Zu welcher Gruppe sie sich dazugehörig fühlen oder dazu gehören möchten. Sie erkennen und orientieren sich an vielerlei Merkmalen. Dies reicht von eigenen Sprachwelten (z.B. Jugendsprache, Akademikersprache, Computerfreaksprache, Rechtssprache usw.), über Kleidung, Musikgeschmack, Art der Freizeitgestaltung oder verschiedener Statussymbole. Nach dem Motto „Kleider machen Leute“ legen wir immer mehr Wert auf das Erscheinungsbild, auf Äußerlichkeiten. Polierte Oberflächen, Lichteffekte, glänzende Glasfassaden bei Gebäuden, die den Eindruck von Offenheit, Freiraum und „Einblick geben“ erwecken, aber doch kalt und undurchdringlich sind. Auf den Schein wird mehr Wert gelegt als auf das Sein. Dieses Thema interessiert mich. Auch meine Personen definieren sich über Kleidung und Gestik. Sie vermitteln eine starke Präsenz und hinterlassen einen Eindruck unserer heutigen Lebenssicht. Sie wirken dynamisch, positiv und lebensbejahend. Durch das weglassen der Köpfe beraube ich sie ihrer Persönlichkeit. Sie werden so beliebig austauschbar. Das was eine Persönlichkeit ausmacht verschwindet und nur der Schein bleibt übrig. Sie werden fast zu ihren eigenen Schattenbildern. Trotz realistischer Darstellung bleibt ihre menschliche Individualität schemenhaft, unerkannt und fragwürdig. Ihr inneres Menschsein bleibt verborgen, bietet keine Lösung, sondern gibt neue Rätsel auf. Nicht nur der Mensch in seinen vielfältigen Variationen, seinem Verhältnis zueinander und seinem Umgang mit der Natur interessiert mich. Auch die Widersprüchlichkeit der menschlichen Struktur, der unbegrenzte Machthunger, die Rücksichtslosigkeit, seine Arroganz, seine Gedankenlosigkeit, aber auch die Feinfühligkeit, das Mitgefühl, die Hilfsbereitschaft und seine Verletzlichkeit beschäftigen mich.

In meinem gegenwartsbezogenen Realismus versuche ich diese Dinge aufzugreifen und in eine Bildsprache umzusetzen, die dem Betrachter möglichst viel Freiraum für eigene Gedanken und Assoziationen lässt.

Als Maler bin ich überwältigt von der Ästhetik und der Kreativität, welche die Natur im Laufe der Evolution hervorgebracht hat. Ob Mensch, Tier, Pflanze oder Landschaft. In einer Zeit, in der alles nur oberflächlich im Sekundentakt gesehen und genossen wird, nehme ich mir Zeit, genauer hinzusehen. Versuche zu verstehen, zu erkennen und einen Teil meiner Faszination auf die Leinwand zu bringen. Mich begeistern Farbnuancen, Proportionen und Lichtreflexe, die auf Objekten tanzen. Für mich sind meine Arbeiten eine äußerst spannende Auseinandersetzung und Symbiose von Geist und Maltechnik. Jedes Gemälde ist ein Abenteuer und eine Herausforderung, das mich antreibt meine Grenzen zu erkennen und möglichst zu überwinden, um in neue Regionen vorzustoßen.